2. Platz
Atelier 30 Architekten GmbH
Kassel
Ole Kreutzig, Thomas Fischer
Mitarbeitende:
Yunus Coskun, Zaher Abou-Alfadel,
Nicole Kozlewski, Ozan Oren,
Aleksandra Nadolskaia
GTL Landschaftsarchitektur
Kassel
Michael Triebswetter
Mitarbeitende:
Phan Do
Auszug aus dem Preisgerichtsprotokoll
Zuerst überzeugt die Arbeit mit der gelungenen Idee, eine Einheit aus Bahnhofsgebäude mit Büronutzung und Fahrradgarage zu schaffen. Dieses gelingt durch ein langes verbindendes Dach, welches im Bürogebäude in ein Vordach als Eingangsüberdachung übergeht. Die polygonale Dach- und Gebäudeform scheint formal aus den sägezahnartigen Halteplätzen der Linienbusse im ZOB entwickelt und setzt sich im hexagonalen Bürogebäude fort.
Der Ansatz, den östlichen Radweg zu erweitern und durch Blickbeziehungen an den ZOB anzubinden, überzeugt, auch wenn die Bewältigung der Topographie sowohl in Nord-Süd als auch in Ost-West Richtung nicht in Gänze gelöst erscheint und der nördliche Gleiszugang als gefährliche Störung im Radweg verbleibt. Am südlichen Ende wird der an der Gebäudekante abknickende Radweg aufgrund der Sichtbarkeit des entgegenkommenden Verkehrs kritisch gesehen. Das Raumprogramm des Fahrrad-Parkhauses ist erfüllt und wird durch die clusterartige Anordnung vermutlich auch gut funktionieren. Im Bahnhofsgebäude überzeugt im Erdgeschoss eine großzügige Bahnhofshalle, in die der vorhandene Treppenabgang zu den Gleisen und der neue Aufzug integriert sind.
Hier entsteht eine Aufenthaltsqualität für den Besucher, der Bahnhofseingang liegt richtig in der Flucht der Passage des Rialto-Boulevards. Das Bürogebäude treppt sich von Süd nach Nord ab. So wird ein dynamisches Erscheinungsbild mit ei- nem Hochpunkt am südlichen Ende geschaffen. Verstärkt wird die Abtreppung durch die vorgeschlagene, teilweise intensive Dachbegrünung, die sich vom Dach des Fahrradparkhauses über die Dachterrassen des Bürogebäudes hochzieht. Die Begrünung findet ihre Fortsetzung in einer Fassadenberankung an diagonalen Fassadenstreben. Die Funktion dieser Begrünung wird hinsichtlich des Pflanzenwachstums jedoch kritisch hinterfragt.
Im Ideenteil wird ein formal passender Ersatzneubau aus drei Volumen vorgeschlagen, die sich nach Süd-Ost in der Höhe abstaffeln und die Flucht des Bahnhofgebäudes aufnehmen. Der Bahnhofsvorplatz wird so nach Süden verlängert.
Die vorgeschlagenen Bürogeschosse weisen eine gute und variabel nutzbare Grundrissstruktur auf. Das zentrale Treppenhaus ermöglicht kleine und große Einheiten. Die sechseckige Form der Gesamtfläche bietet spannende Möglichkeiten der Büronutzung und Möblierung. Ausblicke sind durch die Transparenz der Fassaden gegeben, so dass hier helle und angenehme Arbeitsräume zu erwarten sind. Ebenfalls vorgesehen und dargestellt ist ein Technikgeschoss auf dem Dach für die notwendigen Lüftungsanlagen. Die hybride Baukonstruktion aus Holz-Betonverbunddecke in Kombination mit massiven Kernen und Holzständerwerksfassaden erscheint nachhaltig und angemessen. Eine Aussage zum Tragwerk in den offenen Bürobereichen wird nicht getroffen. Stützen sind zu erwarten.
Die Fassade ist horizontal gegliedert und besteht aus holzbekleideten Brüstungsbändern mit einem vorgehängten metallischen ‚Pflanztrog‘ als schmalem Band, aus dem heraus die diagonalen Streben für die Berankung entwickelt sind. Die Fensterbänder sind als Holzfenster mit Dreifachverglasung vorgeschlagen und mit außen liegendem Sonnenschutz und innenliegendem Blendschutz versehen. Die Konstruktion erscheint wirtschaftlich. Die Arbeit überzeugt in weiten Teilen, es bleiben jedoch Fragen hinsichtlich der Notwendigkeit der städtebaulichen Gestaltung der Abtreppungen und des zeitgeistig-anmutenden Erscheinungsbildes, sowie der Wirkung der stadträumlichen Qualität des Vorplatzes ohne den realistischen Ideenteil.
Freiraumplanung
Der neue Bahnhofsvorplatz fungiert als grünes Bindeglied zwischen dem Rialto-Boulevard und dem neuen Bahnhofsgebäude. Erreicht wird dies durch akzentuiert angeordnete Bauminseln mit gleichzeitiger Aufenthaltsfunktion. Durch deren Setzung gelingt den Verfassern eine gute selbstverständliche Hinführung vom neuen Bahnhofsgebäude in Richtung Rialto-Boulevard als auch in umgekehrter Richtung. Gräser- und Staudenflächen, in Kombination mit einem Wasserspiel erhöhen die Aufenthaltsqualität, sowohl für durchreisende Besucher als auch für Nichtbahnreisende. Die großkronigen Bäume spenden Schatten und leisten durch ihre Verdunstung einen guten Beitrag zur Abkühlung der befestigten Funktionsflächen / Bewegungsräume für Passanten. Die Durchgängigkeit für den ÖPNV wird berücksichtigt und die Verkehrsflächen werden gestalterisch eingebunden.
Die Fußwegverbindungen in Ost-West-Richtung sind in den Entwurf integriert, deren barrierefreie Ausgestaltung kann jedoch nicht nachvollzogen werden. Der Fernradweg wird östlich des Neubaus geführt. Über die „Grüninseln“ werden Vernetzungen nach Westen erreicht. Hierdurch gelingt der Arbeit eine gute Verknüpfung mit dem Fahrradparkhaus. Die Arbeit leistet einen sehr guten Beitrag für die Entwicklung des Bahnhofsquartiers.